Portrait der ländlichen Gesellschaft Chinas
He Jinwei
Trotz ihres jungen Alters und ihrer kindlichen Gesichtszüge strahlen die beiden überlebensgroßen Mädchen nichts Verspieltes oder gar Naives aus. Vielmehr zeichnet der 1967 geborene chinesische Künstlers He Jinwei seine Dargestellten mit ernstem Charakter, schwankend zwischen Schwermut und Ernüchterung. Eines der Kinder blickt uns mit seinen müden Augen an, aus ihm spricht Erschöpfung, mit der es uns direkt konfrontiert. Das andere Mädchen wendet sich ab, mit seinen nach unten zeigenden, zusammengepressten Mundwinkeln wirkt es verhärtet. He Jinwei platziert beide Porträtierten an einem unbekannten Ort, der Hintergrund lässt auf keinen Kontext schließen, wodurch die Mimik der Beiden noch stärker in den Fokus rückt. Dabei wirken sie aber nicht anonymisiert oder gar wie Stereotype, so wie es beispielsweise in den prominenten Porträts des „Zynischen Realismus“ um Fang Lijun passiert.
He Jinwei lässt seine Dargestellten ihre individuelle Geschichte der ländlichen, chinesischen Bevölkerung erzählen, die mit den prekären Bedingungen der Arbeiterschicht und den gleichzeitigen Herausforderungen der Globalisierung zu kämpfen hat. Dabei befinden sie sich zwischen zwei Welten von Tradition und Moderne: Obwohl ihre Kleidung bereits mit englischen Schlagworten gespickt ist, tragen sie weiterhin das rote Tuch des Kommunismus. Unklar bleibt, wohin sie der gesellschaftliche Wandel tragen wird. Ob sich das Versprechen des Kapitalismus perspektivisch auch für sie erfüllt, bleibt fraglich.