Dokumentation vergangener Zeiten
Valery Koshlyakov
Kaum eine andere Kunstepoche prägt unser ästhetisches Empfinden bis heute so nachhaltig wie die Renaissance mit ihrer ausgewogenen Architektur und ihren formschönen, bis zur Perfektion getriebenen Skulpturen. Und so genügt ein nur kurzer Blick auf das überlebensgroße Reiterstandbild am Ende des Korridors, um augenblicklich ins Italien des 15. Jahrhundert versetzt zu werden. Zu eben dieser Zeit herrscht der hier dargestellte Söldnerführer und spätere Diktator Gattamelata in Florenz und Padua. Trotz dass das hiesige Abbild einen Kriegsführer abbildet, strotzt die Arbeit von 1996 nicht ausschließlich vor Imposanz und Autorität. Anstatt eines monumentalen Herrschers zeigt der russische Künstlers Valery Koshlyakov vielmehr ein verfallenes Fragment, herausgelöst aus einer ehemals glorreichen Epoche und nun in die Gegenwart platziert.
Der Reiter ist übermalt, er hat Leerstellen und sein Haupt sieht beinahe aus, als wäre es mit einem Farbbeutel beschmiert. Die monumentale Architektur seiner Umgebung ist unfertig mit dem Charakter einer schnell angefertigten Skizze und auf gewöhnlichem Karton angebracht. Koshlyakov offenbart den künstlerischen Prozess und seine Autonomie, indem er Pinselstriche, Übermalungen und Auslassungen sichtbar macht und monumentale Inhalte auf einfachem Material festhält. Die Spuren der Vergangenheit werden neu kontextualisiert und ästhetische Überhöhungen in Frage gestellt, was für überraschende Irritation sorgt.